Dr. Anne Sophie Geier

Dr. Anne Sophie Geier
Geschäftsführerin des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung

Dr. Anne Sophie Geier ist seit dem 01. Oktober 2020 die Geschäftsführerin des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung.

Sie hat Pharmazie studiert, im Bereich Real-World-Evidence und Outcomes Research an der WWU Münster und Harvard Medical School promoviert und anschließend in der Unternehmensberatung eines Pharmakonzerns gearbeitet. Zuletzt war Anne Sophie Geier als Sachgebietsleiterin beim GKV-Spitzenverband für die frühe Nutzenbewertung von neu zugelassenen Arzneimitteln zuständig.


1. Sie haben 4,5 Jahre beim GKV-SV als Sachgebi etsleiterin die Nutzenbewertung von Arzneimitteln begleitet und sich dann auf das Abenteuer eingelassen, einen neuen Verband in einer gerade erst entstehenden Branche aufzubauen. Wie kam es dazu?

Mich haben die Möglichkeiten digitaler Lösungen in der Medizin schon lange fasziniert. Bereits im Rahmen meiner Promotion vor sieben Jahren habe ich mich mit den Potenzialen von Datennutzung im Gesundheitssystem beschäftigt. Außerdem haben einiger meiner Freundinnen und Freunde selbst Digital Health-Unternehmen gegründet, dadurch war ich immer nah am Geschehen. Deshalb habe ich den Health Technology Assessment Prozess, der zu der Zulassung Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) führte, auch besonders gespannt beobachtet. 
Die Herausforderungen in unserem Gesundheitssystem nehmen ja stetig zu – ob durch den Fachkräftemangel oder die zunehmende Alterung der Gesellschaft. Wir brauchen deshalb unbedingt mutige Lösungen, die Wege aufzeigen, wie wir damit umgehen können. Digitale Gesundheitslösungen bergen da großes Potenzial: Sie bieten oftmals einen stärker patientenorientierten Ansatz, als das im klassischen System üblich ist. So ermöglichen sie personalisierte Behandlungspfade, die immer besser auf die Bedürfnisse des oder der einzelnen zugeschnitten sind. Das wird in Zukunft von immer stärkerer Bedeutung sein. 
Zum Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung e.V. (SVDGV) bin ich gewechselt, um Vorreiter zu unterstützen, die solche neuen Lösungen auf den Weg bringen. Wir werden die Aufgaben der Zukunft nicht lösen können, indem wir immer nur altbekannte Methoden anwenden. Sondern wir brauchen neue Ansätze und Menschen, die vorangehen und neue Wege aufzeigen. Um daran mitzuwirken, schien mir ein Verband, der engagierte Unternehmen und deren Gründer:innen und Geschäftsführer:innen vereint, die beste Möglichkeit.

2. Der DiGA-Fast-Track hat seine ersten Bewährungsproben durch langwierige Preisverhandlungen und erste DiGA, die den Fast Track wieder verlassen oder pausieren. Die Telemedizin stabilisiert sich nach dem Corona-Hoch auf niedrigerem Niveau, das eRezept stockt – welches sind ihrer Meinung nach die größten aktuellen Herausforderungen? Und: Schaffen wir die digitale Transformation auch im Alltag der Ärzteschaft und Patient:innen?

Ja, ich bin davon überzeugt, dass wir die digitale Transformation künftig auch im Alltag von Ärzt:innen und Patient:innen sehen werden. Denn jede:r, die/der die Vorteile einmal selbst erlebt hat, wird sie nicht mehr missen möchten.
Gleichzeitig gibt es aktuell noch einige Herausforderungen. Um beim Beispiel Telemedizin zu bleiben: Hier haben sich in der Pandemie eindeutig die großen Potenziale gezeigt. Zahlreiche Praxen konnten dank der Videosprechstunde weiterhin für ihre Patient:innen da sein, auch wenn diese die Praxis zum Schutz ihrer eigenen Gesundheit lieber nicht aufsuchen wollten. Die Videosprechstunde hat sich also vielfach als gute Alternative zum
Termin vor Ort erwiesen. Dies muss sich jetzt auch in den regulatorischen Rahmenbedingungen abbilden, damit sie wirklich für jede:n zugänglich ist. Dass seit dem 1. April wieder eine Beschränkung gilt, nach der maximal 30 Prozent aller Termine als Videosprechstunde abgerechnet werden können, ist zum Beispiel eine willkürliche Einschränkung, die fortschrittliche Entwicklungen ausgebremst. 
Während mittlerweile viele Patient:innen die Vorteile der Videosprechstunde erfahren konnten, bräuchte es für andere Digitalprojekte noch eine groß angelegte Kommunikationskampagne, beispielsweise für das eRezept, die elektronische Patientenakte (ePA) oder Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). Nach wie vor wissen viele Bürger:innen gar nicht von diesen digitalen Ansätzen und kennen deren Möglichkeiten nicht. Da bedarf es noch viel Information. 
Und nicht zuletzt ist eine konsequente Nutzerfreundlichkeit entscheidend, damit das ganze digitale Ökosystems mit all seinen Bestandteilen (ePA, eRezept, TI) in der breiten Masse angenommen wird. Nur wenn sich alle Anwendungen ganz einfach in den Alltag integrieren lassen, werden Patient:innen wie Ärzt:innen sie gerne und regelmäßig nutzen. 

3. Viele Gesundheitssysteme sind deutlich digitaler, haben Silos überwunden und stellen Gesundheitsdaten für die Versorgung interoperabel zur Verfügung. Sie haben verschiedene Teile des deutschen Systems kennen gelernt, wo hakt es und was muss sich ändern?

Aktuell fehlt leider noch ein gemeinsames Verständnis davon, wie das Gesundheitssystem in Zukunft aussehen soll. Aber so ein gemeinsames Bild ist aus meiner Sicht entscheidend und muss von allen Akteur:innen im System miteinander geteilt werden. Dass die digitale Transformation darin ein wichtiger Baustein für eine qualitativ hochwertige Versorgung sein wird, ist klar. Doch momentan verlieren wir uns zu häufig in Detaildebatten. 
Ich bin daher sehr gespannt auf die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung, die nach dem Sommer entwickelt werden soll. Welche Potenziale wird sie aufzeigen?
In meinen Augen ist es wichtig, dass wir Win-Win-Situationen für Ärzt:innen, Patient:innen und das System als Ganzes identifizieren. Die gibt es – aber sie liegen nicht unbedingt auf der Hand. In der Digitalisierung liegt meines Erachtens eine der wenigen Möglichkeiten, diese Win-Win-Situationen zu finden. Es ist deshalb wichtig, dass wir uns gegenseitig zuhören. Dann können wir diese Situationen identifizieren und eine Vorstellung von einem zukunftsfähigen System entwickeln, von dem alle profitieren. 

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