Dr. med. Nicolas Kahl

Dr. med. Nicolas Kahl
Facharzt für Allgemeinmedizin und zweiter Vorsitzender des E-Rezept-Enthusiasten e.V.

Dr. med. Nicolas Kahl ist niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin in Fischbach bei Nürnberg und hat zuvor in drei Kliniken und sieben Praxen gearbeitet. Er ist Geschäftsführer und Co-Gründer von deinediagnose.de. Mit seinem Bruder hat er im Jahr 2016 einen YouTube-Kanal für unabhängige Patientenaufklärung gegründet, der auf 4.300 Follower und bislang 840.000 Aufrufe kommt. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit ist Dr. Nicolas Kahl zweiter Vorsitzender des E-Rezept-Enthusiasten Vereins, gegründet im Jahr 2022 mit dem Ziel, die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu fördern.

1. Was ändert sich durch Digitalisierung in Deinem Alltag?

Ziemlich viel! Platt gesagt bedeutet Digitalisierung für mich eine zunehmende Relativierung von Zeit und Raum. Ich kann asynchron oder synchron überall auf der Welt Dinge erledigen und kann dies in immer zeiteffizienteren Wegen tun. 
Im Privaten erlebe ich die zunehmende Digitalisierung von Prozessen aber als deutlich leichtfüßiger als in meinem Beruf als Arzt.

Ob es dabei einen Unterschied in der Wahrnehmung gibt, je nachdem ob man Endkunde ist oder direkt an der Umsetzung eines Digitalisierungsprozesses beteiligt ist, ist schwierig zu sagen. Ich denke aber, dass die Kombination aus hohen Datenschutzanforderungen und einem eher auf Traditionen ausgerichteten Berufsstand, innovativen Prozessen in der Medizin manchmal die Leichtigkeit in der Anwendung raubt.

2. Wo ist für Dich der Mehrwert des eRezepts?

Neben der Erhöhung der Medikationssicherheit für Patient:innen und die nachgelagerten Vorteile in der Vermeidung des Medienbruchs in den Apotheken und im weiteren Abrechnungsprozess, ist für mich in meiner täglichen Arbeit ein Faktor besonders wichtig:
Die Signatur und Übermittlung eines eRezepts setzen nun nicht mehr voraus, dass Arzt/Ärztin und Patient:in beide am gleichen Ort oder in der gleichen Praxis sein müssen. Uns Ärzt:innen wird damit ein mächtiges Instrument gegeben, um zum Beispiel ärztlicher Unterversorgung im ländlichen Raum zu begegnen oder um auch als regionale Einzelpraxis Filialstandorte in abgelegeneren Orten zu betreiben, in denen die in der Haupt-Praxis signierten Rezepte an ältere Patient:innen z.B. ausgegeben / ausgedruckt werden können, ggf. ergänzt durch Videosprechstunden vor Ort. Die Frage der räumlichen Distanz zum nächsten Arzt / zur nächsten Ärztin relativiert sich.

3. Was erwartest Du von der Digitalisierungsstrategie des BMG?

Die Basis sollte eine nutzerfreundliche Digitalisierung sein, die den Ärzt:innen Arbeit abnimmt und keine neue Arbeit generiert und die für den Patienten / die Patientin einfach intuitiv umgesetzt werden kann und offensichtlichen Nutzen stiftet. Das hört sich erst einmal selbstverständlich an, ist aber in der Einführung der TI in vielen Feldern nicht so erfolgt.

Ich wünsche mir aber auch, dass nicht nur aktuelle Prozesse „digitalisiert“ werden, sondern auch grundlegende Fragen neu gestellt und beantwortet werden. Sollten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUs) nur per Videosprechstunde statt per Telefon für die erste Woche möglich sein oder schaffe ich vielleicht einfach AUs für die erste Woche komplett ab, wie es in manchen europäischen Ländern der Fall ist.

Wenn ich die Praxisabläufe mit digitalen Lösungen so gestalten kann, dass ich Arzt-Zeit einspare, dann kann es sein, dass es ohne Qualitätsverlust zu weniger Arzt-Patienten-Kontakten kommt. Die Vergütung richtet sich aber in Praxen sehr stark an den Arzt-Patienten-Kontakten vor Ort aus. Hier wäre also eine grundlegende Neu-Justierung der Vergütungsstrukturen notwendig, um neuen digitalen Arbeitsabläufen in den Praxen den nötigen Freiraum zu lassen, ohne aber das „digitale Feld“ gleichzeitig alleine den reinen online-Plattformen zu überlassen.

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