Prof. Dr. Dorothea Wagner

Prof. Dr. Dorothea Wagner_02
Vorsitzende des Wissenschaftsrats & Head of the institute (KIT)

Seit 2020 ist die am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) tätige Informatikerin Prof. Dr. Dorothea Wagner Vorsitzende des Wissenschaftsrats. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind im Spannungsfeld zwischen theoretischen Grundlagen und Anwendungen von Algorithmen angesiedelt. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind Algorithmen für Probleme im Verkehrsbereich, insbesondere für die Routenplanung, für die Optimierung von Energiesystemen, sowie Algorithmen für die Analyse und Visualisierung von Netzwerkdaten.

1. Frau Prof. Wagner, Sie haben mit dem Wissenschaftsrat jüngst das Positionspapier „Digitalisierung und Datennutzung für Gesundheitsforschung und Versorgung“ vorgestellt. Wo steht Deutschland, was sind die zentralen Ergebnisse und Empfehlungen bzw. Forderungen?

Deutschland steht in der Digitalisierung und Datennutzung für Gesundheitsforschung und Versorgung nicht gut da – und ich werde langsam ungeduldig! Uns entgehen damit wertvolle Innovationen zum Wohle der Patientinnen und Patienten und unsere Forschung ist auf Daten aus dem Ausland angewiesen. Deshalb: Wir müssen die Datenschätze in Deutschland schleunigst heben. Da tut sich schon viel, das muss jedoch gebündelt werden unter der strategischen Zielvorstellung einer dezentralen, vernetzten, mit Forschung kompatiblen Gesundheitsdateninfrastruktur. Dafür braucht es eine gemeinsame Datensprache (Standards), Schnittstellen zwischen den Systemen (Interoperabilität), aber auch einen forschungsfreundlichen Umgang mit den Gesundheitsdaten. Klar, sie müssen geschützt werden, ein Absenken der Schutzstandards ist keine Option, aber es sollten prozedurale Vereinfachungen her, und die DSGVO bietet durchaus sorgsam abgewogene Freiräume für die Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung. Eine Widerspruchslösung für die Nutzung der Daten der elektronischen Patientenakte für die Forschung wäre hier wichtig, generell empfiehlt der Wissenschaftsrat der Bundesregierung, das im Koalitionsvertrag angelegte „Gesundheitsdatennutzungsgesetz“ möglichst rasch auf den Weg zu bringen. Der vom Bundesgesundheitsministerium angekündigte „Digitalisierungssommer“ und das aktuelle Tempo bei der „Digitalstrategie“ der Bundesregierung sind vielversprechende Signale.

2. Stichwort „mangelnde Vernetzung und Integration von Gesundheitsdaten“: Wie stellen Sie sich die datenbasierte Vernetzung vor, wer macht was?

In diesem Bereich ist vor allem die Universitätsmedizin in den letzten Jahren sehr aktiv geworden: Die Medizininformatik-Initiative und das Netzwerk Universitätsmedizin haben bereits gemeinsame Datenpools (Datenintegrationszentren) über universitätsmedizinische Standorte hinweg etabliert, eine Verknüpfung der verschiedenen Initiativen wäre der nächste logische Schritt. Außerdem wurde mit der Telematikinfrastruktur die Grundlage dafür geschaffen, dass die Daten der Leistungserbringer im Gesundheitssystem in einem einheitlichen System zusammenlaufen. Und schließlich wird derzeit das Forschungsdatenzentrum Gesundheit beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgebaut, bei dem die Daten aus der elektronischen Patientenakte und von den Versicherungen zusammenlaufen. All diese verschiedenen Infrastrukturen müssen zusammen gedacht werden. Dafür empfiehlt der Wissenschaftsrat den Aufbau eines nationalen Gesundheitsforschungsdatenportals durch den Bund, das die Forscherinnen und Forscher über die vorhandenen Gesundheitsdaten informiert und sie beim Zugang zu den Daten unterstützt.

3. Aktuell geben die Krankenhäuser nur ca. zwei Prozent ihres Budgets für Investitionen in die Digitalisierung aus. Sie empfehlen dagegen drei bis fünf Prozent und schlagen zur Finanzierung der Lücke auch Kooperationen mit der Industrie vor. Wie könnten diese aussehen?

Einige sehr starke Universitätsklinika in den USA geben sogar eher acht Prozent ihres Budgets für Digitalisierungsbelange aus… Die drei bis fünf Prozent sind aus unserer Sicht das Minimum, was notwendig ist, um als Forschungseinrichtung und Klinikum der höchsten Versorgungsstufe wettbewerbsfähig zu sein. Natürlich wird ein Großteil des Aufwuchses für die Digitalisierung über Umschichtungen in den Budgets bewältigt werden müssen, das ist sicherlich keine einfache Aufgabe. Wichtig wird es hier auch sein, dass die Vergütungsstrukturen in der Versorgung für digitale Versorgungsangebote optimiert werden. Kooperationen mit der Industrie können unterstützend hinzukommen und ganz vielfältig sein: Etwa über die Nutzung von IT-Systemen der Industrie, wobei gleichzeitig die professionelle Management-Expertise der Industrie bei der Einführung solcher Systeme genutzt werden sollte. Zum anderen natürlich auch Public Private Partnerships. Und schließlich – aber das hat nichts mit den Budgets zu tun – empfehlen wir forschungsbezogene Kooperationen mit der Industrie, damit die Erkenntnisse aus der datenintensiven Forschung möglichst rasch in innovative Produkte und Therapien umgesetzt werden. Dafür ist die Gesundheitswirtschaft der unverzichtbare Partner.

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