Prof. Dr. Jörg F. Debatin

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Healthcare-Unternehmer

Prof. Dr. Jörg F. Debatin, MBA ist Healthcare-Unternehmer. Bis 2021 war er Chairman des health innovation hubs des Bundesministeriums für Gesundheit, Berlin; zuvor Vice President und CTO von GE Healthcare, Waukesha/USA, Vorstandsvorsitzender der amedes Holding AG sowie Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor des Universitäts-klinikums Hamburg-Eppendorf; davor Ordinarius für Diagnostische Radiologie am Universitätsklinikum Essen, Facharzt für Diagnostische Radiologie.

1. Prof. Jörg Debatin, in Ihrer Rolle als Chairman des health innovation hubs des Bundesministeriums für Gesundheit haben Sie die Gestaltung des gesetzlichen Rahmens für die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen in den Jahren 2019 bis Ende 2021 konstruktiv begleitet. Es wurden 28 Gesetze geschrieben und verabschiedet; Projekte wie das eRezept, die ePA und das KHZG sind von der konzeptionellen in die Umsetzungsphase gekommen. War das deutsche Gesundheitswesen bereit für diese gesetzlich vorbereitete digitale Transformation?

Es war höchste Zeit die gesetzlichen und regulatorischen Weichen für die digitale Transformation der Gesundheitsversorgung in Deutschland zu stellen. Nach zwei Jahrzehnten im Dornröschenschlaf galt es im Turbogang viel aufzuholen. Das ist dem BMG in Zusammenarbeit mit der Politik erstaunlich gut gelungen. Und es hat sich auch viel verändert: Telemedizin hat sich vielerorts zu einem neuen Standard entwickelt, und das KHZG hat die Digitalisierung zum Top-Thema für alle Krankenhaus-Manager gemacht. Dennoch hapert es unverändert an der Umsetzung zentraler Projekte. Dabei denke ich vor allem an die ePA und das digitale Rezept.

2. Mitte 2022 erleben wir, dass das Projekt eRezept Fahrt aufgenommen hat – aktuelle Zahl der eingelösten Rezepte liegt bei 105.390 (gematik Dashboard), eine Verdopplung binnen drei Wochen. Somit ist ein weiterer Meilenstein erreicht worden. Welche konkreten Schritte sind erforderlich, um die digitale Transformation der Medizin in Gänze zu bewegen und nicht nur punktuell auf Projektebene?

Zunächst einmal ist es bemerkenswert, dass die gematik ein solches Dashboard überhaupt veröffentlicht. Das wäre vor drei Jahren vollkommen unvorstellbar gewesen. Die Selbstverständlichkeit, mit der diese Transparenz heute gelebt wird, zeigt wie weit die von Dr. med. Markus Leyck-Dieken eingeleitete kulturelle Neuausrichtung der gematik bereits gekommen ist. Das macht Hoffnung!

Ja, die Zahlen entwickeln sich in die richtige Richtung. Aber sie bewegen sich doch noch auf beschämend niedrigem Niveau. Es macht mich fassungslos, dass ein Industrieland wie Deutschland sich bei der Umsetzung eines derart einfachen Digitalisierungsprojektes so schwertut. Dabei hatte die Politik ihren Job getan. Schwierig wurde es erst, als unser Gesundheitsminister Karl Lauterbach meinte sich einmischen zu müssen. Sein KBV Interview aus dem März dieses Jahres, in dem er den ‚Stop‘ des digitalen Rezeptes verkündete, um diese Aussage drei Tage später wieder zurückzuziehen, hat für viel überflüssige Unruhe gesorgt. Erheblichen Anteil an diesem Desaster haben aber auch viele IT-Hersteller, die die notwendigen Module erst mit deutlicher Verzögerung und dann auch noch mit teils unzureichender Qualität verfügbar machten. Eine unglückliche Rolle spielt leider auch die KBV. An der Stelle häufig wenig qualifizierter, generalisierter Kritik würde ich mir als Arzt mehr konstruktives Engagement in der Sache wünschen. Das es auch anders geht, zeigt die konstruktive Haltung der KV Westphalen-Lippe!

3. Auf der internationalen Bühne hinkt Deutschland immer noch hinterher mit Blick auf die Digitalisierung des Gesundheitswesens – die nordischen Länder haben sich zum Ziel gesetzt bis 2030 die am stärksten integrierte Gesundheitsregion der Welt zu sein, während oftmals allein die 16 Bundesländer unterschiedlicher Meinung sind. Welche Erwartungen haben Sie an die angekündigte Digitalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Gesundheit - kann diese zum Hebel werden, um diesen Rückstand aufzuholen?

Ich bin kein Fan von langwierigen Digital-Strategiediskussionen. Digitale Technologien verändern sich so schnell, dass am Ende einer Strategiediskussion die Ausgangslage so stark verändert ist, dass grosse Teile der Strategie ihre Relevanz verloren haben.

An der Stelle von Diskussionen ist meine Empfehlung ganz einfach: Umsetzen, Umsetzen, Umsetzen. Wir haben ausreichend Projekte, von denen wir wissen, dass sie umgesetzt werden müssen. Dazu gehören der TI-Messenger, die weitere Stärkung der Telemedizin, die ePA und natürlich das digitale Rezept – es gibt viel zu tun. Dabei muss allen klar sein, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Amazon klopft bereits an die Tür – und deren Vorstellung vom Umgang medizinischer Daten halte ich wahrlich nicht für erstrebenswert.

Also packen wir es an und sorgen wir dafür, dass die Vorteile digitaler Technologien diejenigen erreichen, für die wir unser Gesundheitssystem betreiben: die Patient:innen!

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