Sarah Louven

Sarah Louven
Projektmitarbeiterin, BAG SELBSTHILFE e.V.

Sarah Louven ist seit Mai 2021 als Projektmitarbeiterin bei der BAG SELBSTHILFE tätig. Gemeinsam arbeitet sie mit Jana Hassel am „Wegweiser durch die digitale Gesundheitswelt“ und unterstützt auch weitere Projekte. 
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen (BAG SELBSTHILFE e.V.) ist die Dachorganisation von rund 120 bundesweit aktiven Selbsthilfeorganisationen behinderter und chronisch kranker Menschen und ihren Angehörigen. In der
 BAG SELBSTHILFE sind über 1 Millionen körperlich, geistig, psychisch behinderte und chronisch kranke Menschen organisiert. Selbstbestimmung, Selbstvertretung, Integration, Rehabilitation und Teilhabe behinderter und chronisch kranker Menschen sind die Grundsätze, nach denen die BAG SELBSTHILFE für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung behinderter und chronisch kranker Menschen eintritt.

1. Inwieweit hat die Corona Pandemie die Arbeit in der Selbsthilfe verändert?

Corona hat die Selbsthilfe vor eine enorme Herausforderung gestellt. Selbsthilfe war bis dahin nahezu ausschließlich durch direkten Austausch vor Ort geprägt. Chronisch kranke oder behinderte Menschen in der Selbsthilfe, teilen hier sehr private Erfahrungen, wollen sich manchmal anonym austauschen und dabei in einem geschützten Raum bewegen. Diese Art der Verbindung war plötzlich unterbrochen, das Bedürfnis der Betroffenen nach Austausch, Information und Beisammensein, aber nicht. Im Gegenteil: durch Sozial Distancing und die besondere Gesundheitsbedrohung für diese vulnerable Gruppe, war ein Austausch auf anderen Wegen umso wichtiger geworden.
Für uns als BAG SELBSTHIFLE galt das genauso, denn auch wir mussten Mittel und Wege finden, den Betroffenen und natürlich auch unseren Mitgliedsverbänden weiterhin zur Seite zu stehen - und darüber hinaus war unsere Aufgabe, ihnen Optionen zu eröffnen, sich digital auszutauschen. Das war sowohl eine Herausforderung als auch ein Lernprozess.

2. Wie unterstützen Sie auf digitalem Wege Menschen mit Behinderung, chronischer Krankheit und deren Angehörige?

Wir bieten zahlreiche Informationskurse, Veranstaltungen und Austauschformate an. 
Unser Projekt „Wegweiser durch die digitale Gesundheitswelt“ erleichtert beispielsweise den Einstieg und zeigt Möglichkeiten auf, den eigenen Behandlungsprozess aktiv zu gestalten. Das Projekt Teilhabe 4.0 hat das Ziel, digitale Barrierefreiheit ins Bewusstsein von Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen zu bringen. Digitale Barrierefreiheit bedeutet kurz gesagt, dass alle Menschen – auch die mit Behinderungen – digitale Angebote verstehen und nutzen können. Ein weiteres Projekt namens selbst-verstehen.de veröffentlicht anonymisierte Beispielbefunde in einfach verständlichen Worten, welche Betroffenen eine Unterstützung für das Verständnis eigener Befunde geben. Hierbei arbeiten wir eng mit Selbsthilfeverbänden zusammen, die zu den für sie relevanten Indikationen Befunde sammeln und anonymisieren. Anhand mehrerer Originalbefunde erstellt ein Ärzteteam eine verständliche Übersetzung in Form eines Beispielbefundes. Somit können Patient*innen anhand dieser Dokumente ihre eigenen Befunde besser nachvollziehen.

Bei den Fragen zur Optimierung der Digitalisierung im Gesundheitswesen gerade für chronisch Kranke und Menschen mit Behinderungen bringen wir unsere Fachkompetenz und Erfahrung im Austausch mit den Entscheidern ein. Hier richten wir immer wieder den Fokus auf die Sicht der betroffenen Menschen und werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass die digitalisierte Gesundheitswelt ein barrierefreier Raum sein muss. Hierzu stehen wir natürlich im ständigen Austausch mit den Aktiven aus der gesundheitlichen Selbsthilfe, denn genau deren Bedürfnisse müssen immer wieder neu abgefragt und umgesetzt werden.

3. Was sind Ihre größten Hindernisse und Learnings aus heutiger Sicht?

Die gesundheitliche Selbsthilfe, als bedeutender Akteur im Gesundheitswesen hat seit jeher den Anspruch, ein inklusives und barrierefreies Umfeld für Menschen mit Behinderung zu schaffen und eine uneingeschränkte Teilhabe zu ermöglichen. Durch die Pandemie fokussierte sich dieser Anspruch verstärkt und abrupt auf die Digitalisierung. Mit dem fortschreitenden Digitalisierungsprozess wird einerseits eine weitreichende Patientengruppe angesprochen, gleichzeitig stehen wir vor der Herausforderung Menschen ohne Technikaffinität und Menschen mit Behinderungen in gleichem Maße Teilhabe zu ermöglichen. Dafür müssen aus unserer Sicht digitale Barrieren abgebaut und die Interessen und Bedarfe der Selbsthilfeakteure mit eingebunden werden. Ein einfaches Beispiel dafür wäre die Nutzung von Videokonferenztools, die z.B. auch von Menschen mit Sehbehinderung bedient werden können oder welche auch Transkriptionsmöglichkeiten anbieten. Es ist daher von enormer Wichtigkeit, dass die Entwicklung eines digitalisierten Gesundheitswesens inklusiv sein muss und keine Menschen ausschließt. Nur durch einen einfachen Zugang kann eine weitreichende digitale Gesundheitskompetenz gestärkt werden. 
Aktuell finden wir viele Barrieren in der Digitalisierung, in anderen Bereichen ist sie eine Erleichterung. Beispielsweise können Selbsthilfeaktive trotz körperlicher Einschränkungen digital an vielen Prozessen der Entscheidungsfindung in unserem Gesundheitswesen parallel zur face-to-face- Arbeit, über erhebliche Distanzen hinweg und gemeinsam mit allen anderen teilnehmen. Der Informationsaustausch ist schneller und einfacher.

Insgesamt bleibt es auch zukünftig eine Herausforderung, die Entwicklung der Digitalisierung im Gesundheitswesen weiterhin aktiv zu unterstützen, voranzubringen und die Interessen unserer Mitglieder zu stärken. Denn dazu sind nicht nur Kompetenz und Einsatz, sondern auch eine unabhängige und verlässliche Förderung der maßgeblichen Selbsthilfeakteure im Gesundheitswesen, wie der BAG SELBSTHILFE zwingend notwendig. Und diese fehlt nach wie vor.

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