Thomas Ramge ist Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher, Journalist und Technologie-Korrespondent für die Wirtschaftsmagazine brandeins und The Economist. In seinem Podcast SPRIND interviewt er zweimal im Monat Sprunginnovatoren. Zudem forscht Thomas zu Künstlicher Intelligenz und datengestützter Entscheidungsfindung. Sein neues Buch erscheint im April: Access Rules. Freeing Data from Big Tech for a Better Future“.
Ganz einfach: Indem wir die richtigen Experimente aufsetzen, mit denen wir relevante Daten sammeln. Diese Daten müssen wir dann intelligent auswerten und die richtigen Schlüsse aus der Evidenz ziehen, die Daten schaffen. Das ist einfach daher gesagt und klingt vielleicht sogar banal. Und in der Praxis ist das natürlich überhaupt nicht einfach, sonst hätten wir ja die großen medizinischen Geiseln der Menschheit von Demenz über Krebs bis zu den Autoimmunkrankheiten längst in den Griff bekommen. Aber im Kern beschreibt dies die Vorgehensweise datengetriebener Innovation in allen Forschungsfeldern. Fortschritte in der Medizin sind ohne Daten seit langem nicht mehr denkbar, sie wären im regulatorischen Rahmen ja nicht einmal zulässig. Wir müssen die Medizin entsprechend immer weiter datafizieren.
Wir haben oft den Eindruck, dass wir in einem Zeitalter des Informationsüberflusses leben, des "Data-Overflow“. Bei Scoial Media und Online-Shopping mag das ja stimmen. Für viele wesentliche Forschungsfelder inklusive der Medizin gilt das leider nicht. Wir leben hier oft noch in bitterer Datenarmut, zumindest was die relevanten Informationen für potenzielle Innovationssprünge angeht. Wir müssen Daten a) viel systematischer sammeln, b) die Datenformate viel konsequenter strukturieren und c) all jenen klugen Köpfen zugänglich machen, die den medizinischen Fortschritt voranbringen können. Obsessiver Datenschutz ist auch Gift für medizinische Innovation.
Dass europäische Innovatoren nach wie vor Weltspitze sein können, hat ja gerade eine Biotech-Firma aus Mainz bewiesen, deren Namen vor drei Jahren allenfalls Pharma-Insider kannten. Biontech ist zugleich Beweis und Inspiration, wie aus Spitzenforschung und -entwicklung sowohl ein medizinischer Segen für die ganze Welt werden kann als auch ein großer Teil der Wertschöpfung in Deutschland und Europa verbleibt. Aus Sicht des medizinischen Fortschritts ist die Frage, wo die Innovation geografisch herkommen, aus meiner Sicht allerdings zweitrangig. Wenn ein chinesisches Unternehmen endlich ein wirksames Mittel gegen Alzheimer fände, wäre das für die ganze Welt wunderbar. Um medizinischen Fortschritt voranzubringen, bräuchte es mehr globale Kooperation, bzw. das, was man in der Innovationsforschung "Co-Opetition“ nennt, also eine gesunde Mischung aus Kooperation und Wettbewerb. Mehr Zugang zu relevanten Daten könnte medizinischer Innovation weltweit einen kräftigen Schub geben. Und davon würden unter dem Strich alle profitieren.
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